Anna Ganthaler, Abteilungsleiterin bei TUI, spricht über die Zukunft des Tourismus
„Konstant sehr gute Leistung bringen“
Anna Ganthaler arbeitet in der britischen Hauptstadt als Abteilungsleiterin bei TUI, dem größten Touristikkonzern weltweit, wo sie für eines der größten Transformationsprojekte verantwortlich ist.
Den Trend Nachhaltigkeit kennen wir schon länger. Er wurde von vielen belächelt und auf die leichte Schulter genommen. Nun gibt es aber kein Ausweichen mehr. Wer nicht nachhaltig handelt, ist beim Gast out.
Sie sind Leiterin der Abteilung Strategy und Business Trasformation bei TUI. Wie kann man sich, Ihre tägliche Arbeit vorstellen? Womit beschäftigen Sie sich hauptsächlich?
Mein Verantwortungsbereich besteht einerseits in der Definierung der Strategie mit dem Top-Management des Konzerns und andererseits in der Umsetzung dieser erarbeiteten Neuausrichtung, eben Business Transformation. Oftmals kümmert sich ein Strategieteam rein um die Ausarbeitung der zukünftigen strategischen Ziele und übergibt dieses Konzept dann an die einzelnen Fachabteilungen. Diese sind aber operativ zu sehr eingespannt oder besitzen nicht den Weitblick, um das Strategiekonzept umzusetzen, und daher kommt es oftmals zum Scheitern. Deshalb finde ich meine Position auch so spannend. Denn dadurch, dass ich auch ein Team von sehr erfahrenen Unternehmensberatern im Bereich Business Transformation leite, werden diese Strategiekonzepte von meinem Team mit den betroffenen Fachbereichen umgesetzt.
Das bedeutet, dass mein Team und ich eine neue Ausrichtung von Anfang der Strategiedefinition, über die Prozessdefinition und die Entwicklung der dafür notwendigen neuen technologischen Plattformen, die wir intern programmieren, bis hin zur neuen Rollendefinition und Umschulung von Mitarbeitern zusammen mit der Personalabteilung begleiten und für eine erfolgreiche Umsetzung verantwortlich sind. Dies beinhaltet neben fachlichem Know-How auch sehr viel Kommunikations- und Change- Management. Hierbei handelt es sich um Transformationsprojekte in Millionenhöhe, die sich maßgeblich auf das zukünftige Geschäftsmodell auswirken. Ganze Abteilungen mit jeweils circa 300 Mitarbeiten sind betroffen. Daher muss man viele Interessensgruppen, intern sowie unsere externen Geschäftspartner, zu einem Konsens bringen.
Konkret geht es dabei zum Beispiel um den Abschluss von Verträgen und die Verwaltung von Live-Kontingenten zwischen den Hotelpartnern weltweit und unseren Reiseveranstaltern mithilfe von analytischen, intelligenten Technologien. Weitere Themen sind die künstliche Intelligenz und wie diese konkret eingesetzt werden kann, um den Hoteliers eine Vorhersage des Tourismusmarkts weltweit zu geben und gezielte Maßnahmen wie Marketingaktionen, Preismanagement und Produktentwicklung empfehlen kann.
Welche Eigenschaften muss man mitbringen, um in einem großen Konzern Karriere zu machen?
Ich würde sagen, Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft, vor allem auch Belastbarkeit. In einem Konzern muss man auch immer das große Ganze im Blick behalten und nicht nur bis zum Rand der eigenen Abteilung oder Gesellschaft (z.B. Reiseveranstalter, Fluggesellschaft, Kreuzfahrt oder Destinations Management) blicken. Daher sind Weitblick und die Fähigkeit, erfolgreiche konzernübergreifende Zusammenarbeiten zu knüpfen, wichtig.
Weiters ist auch Flexibilität von großer Bedeutung. Das ist mit dem Privatleben nicht immer leicht vereinbar. Besonders am Anfang der Karriere, wenn man erst dazulernen und sich beweisen muss. Allein während des Führungskräftenachwuchsprogramms bei TUI bin ich über 18 Monate jede drei Monate umgezogen, um in verschiedenen Ländern und Tochtergesellschaften zu arbeiten. Später waren es die Dienstreisen, die Flexibilität forderten. Wenn man damit zurechtkommt, sind das natürlich sehr schöne Erlebnisse, denn man bereist für den Job viele schöne Orte und lernt interessante Menschen kennen. Jedoch bedarf es an viel Organisationsgeschick, damit das Privatleben nicht darunter leidet.
Karriere in einem großen Konzern zu machen, ist deswegen auch nicht ganz einfach, da natürlich bei vielen Mitarbeitern der Pool an sehr guten, sehr unterschiedlichen Mitarbeitern mit verschiedensten Stärken und Erfahrungen auch größer ist. Daher muss man sich gegen viel mehr Mitbewerbern durchsetzen als in kleinen Betrieben.
Aber das macht auch irgendwo den Reiz aus, und wenn man es dann schafft, erfüllt es einen noch mehr mit Stolz und Freude.
Frauen in Führungspositionen und noch dazu im jungen Alter sind nicht alltäglich. Wie gelingt es Ihnen, sich zu behaupten? Wo sehen Sie die Herausforderungen?
Mein Tipp, um sich zu behaupten, ist konstant sehr gute Leistung zu bringen. Das ist das einzige Mittel, bei dem Kritikern auf Dauer die Argumente ausgehen.
Wie und wo tanken Sie neue Kraft und finden Ruhe?
Kraft tanke ich als extrovertierter Mensch in einer geselligen Runde mit guten Freunden und der Familie und bei Aktiverlebnissen in der Natur sowie beim Reisen.
Der Tourismus wurde durch die Pandemie schwer gebeutelt. Wohin entwickelt sich der Tourismus aus Ihrer Sicht? Was sind die neuesten Trends im Tourismus?
Kurz gesagt: hochgradige Vernetzung mit globaler Denkweise der Reisenden, smarte Technologien und Digitalisierung, Workation sowie Nachhaltigkeit.
Wie man branchenübergreifend beobachten kann, sind immer mehr Unternehmen und Kunden bereit, Daten/Informationen zu teilen und gemeinsam zu nutzen. Konsumentendaten und neue Technologien ebnen den Weg für vernetzte, personalisierte, nahtlose Reise-Erlebnisse. Mehr noch erlauben Daten neuen Unternehmensmodellen, vor allem Plattformen, wie AirBnB oder Uber, die bisherigen Unternehmensmuster und Dienstleistungen in der Branche aufzubrechen und durch digitalisierte Lösungen weiterzuentwickeln. Denn meistens bleibt es bei diesen Unternehmen nicht bei der ursprünglichen Dienstleistung. AirBnb zum Beispiel bietet nicht mehr nur Unterkünfte an, sondern mittlerweile auch Aktivitäten und Ausflüge in der Urlaubsdestination, direkt buchbar auf der Plattform, sowie virtuelle Stadttouren mit Stadtführer, exotische Online-Kochkurse und vieles mehr.
Das Konzept sharing economy, also die „Wirtschaft des Teilens", entwickelt sich stets weiter und das eben nicht nur beim Teilen von Daten. Hier gilt es wirklich, sich Gedanken zu machen, wie man innerhalb und außerhalb der eigenen Branche gemeinschaftlich Güter durch Teilen, Tauschen, Leihen oder Mieten nutzen kann und Kooperationen mit anderen Geschäftsfeldern eingeht.
Gleichzeitig erlauben Konsumentendaten personalisierte und individuellere Produktentwicklung für Reisende. Authentische und lokale Erlebnisse werden gesucht, das wissen wir schon länger. Aber wie solche Erlebnisse idealerweise aussehen und buchbar gemacht werden sollen sowie dann auch mit dem Umfeld des Reisenden geteilt werden, sagen uns Daten. Vorausgesetzt wir nutzen sie.
Die Digitalisierung bedeutet keinesfalls die Wegrationalisierung von Mitarbeitern. Sondern die Automatisierung von bürokratischen Prozessen und mehr noch ein rundum einfaches Kundenerlebnis in Hinsicht auf Urlaubsinspiration, Buchungs- und Bezahlprozesse (z. B. über sogenannte Assisten wie Siri, Alexa & Co), Angebote in der Destination und der sozialen Vernetzung des Reisenden (die digitale, weltweite Mundwerbung – das neue Marketing).
Vernetzung bedeutet auch, dass Grenzen zwischen dem Arbeits- und Privatleben zunehmend verschwimmen. Durch die Pandemie ist es vielen möglich geworden, permanent oder über längeren Zeiträumen den Ort, wo die Arbeit verrichtet wird, frei zu wählen. Der Urlaubsort wird zum Arbeitsort. Vorausgesetzt man ist ausreichend vernetzt – in diesem Fall mit guter Anbindung an Flughäfen und durch eine schnelle, zuverlässige Internetverbindung.
Zu guter Letzt möchte ich noch die Nachhaltigkeit erwähnen. Diesen Trend kennen wir schon länger. Er wurde von vielen belächelt und auf die leichte Schulter genommen. Nun gibt es aber kein Ausweichen mehr. Wer nicht nachhaltig handelt, ist beim Gast out.